Kitzbühel – Thomas Dreßen ist ein cooler Typ – im Starthaus von Kitzbühel aber wird selbst dem besten deutschen Skirennfahrer etwas anders.
«Dieses Kribbeln hast du nirgendwo sonst», berichtete der 26-Jährige nach der Rückkehr an den Ort seines größten Erfolges. Vor zwei Jahren verblüffte das Kraftpaket aus Oberbayern die Ski-Welt mit seinem Abfahrts-Coup auf der berüchtigten Streif, nach einem Jahr Verletzungspause greift der Mittenwalder im Alpin-Mekka wieder an.
Im Kampf um Ruhm, Prestige und richtig viel Preisgeld will sich Dreßen im Super-G am Freitag und der Abfahrt am Samstag (beides 11.30 Uhr/ARD und Eurosport) weder von einer Schrecksekunde im Training noch seinem leicht lädierten Knie bremsen lassen.
Eine Wohltat ist die mythenumrankte Hahnenkamm-Piste auch für ganz gesunde Sportler nicht. «Das ist einfach die Challenge, eine Herausforderung, die musst du akzeptieren», berichtete Dreßen über die 3315 Meter lange Abfahrt samt der respekteinflößenden Abschnitte Mausefalle, Hausbergkante und Traverse. «Da geht’s zur Sache, man darf sich auf keine Autobahn einstellen», sagte er dem ORF.
Im Training konnte Dreßen einen Sturz nur knapp vermeiden, nachdem er offenbar über einen Stein gefahren war und seine Kante beschädigt hatte. Die Streif ohne vernünftige Skikante zu bewältigen ist vergleichbar mit einem Autorennen im Regen ohne Profil an den Reifen. «Ich hatte von oben bis unten keinen Grip», erzählte er, «da kann man sich vorstellen, dass das keinen Spaß macht».
Von einem Sieg auf der Streif träumt ein jeder Rennprofi, aber selbst einigen der besten der Geschichte wie Aksel Lund Svindal oder Bode Miller war dies nicht vergönnt. Dreßen konnte im Januar 2018 jubeln. Jene Bilder sind bei dem Mittenwalder auch in dieser Woche wieder im Kopf. «Freilich hab ich mich zurückerinnert», berichtete er und scherzte auf die Frage, ob er nach einem Jahr Zwangspause wegen eines Kreuzbandrisses denn den Weg den Berg runter noch gefunden habe: «Da ist links und rechts ein Zaun, also kommt man nicht großartig aus.»
Ganz weit zurückgeworfen war Dreßen von seiner Knieverletzung ohnehin nicht worden, was schon sein Abfahrtssieg beim Comeback Ende November in Lake Louise sowie die zwei dritten Plätze beim Super-G von Sölden und der Abfahrt zuletzt in Wengen zeigten. Kitzbühel aber ist ein anderes Kaliber. Auch wenn die Piste diesmal etwas weniger eisig präpariert wurde als die Jahre zuvor, fordert sie die Sportler wie kein anderes Rennen. Der erfahrene Österreicher Vincent Kriechmayr rauschte am Donnerstag kurz vor dem Ziel in das Fangnetz, blieb aber ersten Eindrücken zufolge unverletzt. «Das schaut saucool aus», erzählte er, fügte aber einschränkend an: «…für die Fans.»
Auch Dreßens Körper bekam die knüppelharte Streif bereits zu spüren. Sein operiertes rechtes Knie begann nach dem ersten Training am Mittwoch zu schmerzen, schwoll aber immerhin nicht an. «Solche Belastungen haben wir das ganze Jahr nicht», berichtete Dreßen. Unnötig bremsen will er nicht. «Wenn ich aus dem Starthaus rausgehe, dann ist das keine Ausrede mehr.» Im Teamhotel in Kirchberg, dem Nebenort von Kitzbühel, ist nun der Physiotherapeut gefragt.
Dass das deutsche Team nicht in Kitzbühel untergebracht ist, das freut Dreßen. Ausufernde Partys, laute Musik, feierwütige Ski-Fans, ein Stelldichein der Promis: All das blendet Dreßen bei den 80. Hahnenkamm-Rennen aus und fokussiert sich auf die sportliche Show.
Auch wenn Vorjahreschampion Dominik Paris nach einem Kreuzbandriss fehlt, zählt sich Dreßen nicht zu den ersten Anwärtern auf den Sieg und das Rekordpreisgeld von 100.000 Euro. «Mein Topfavorit ist der Feuz», meinte er. Der Weltcup-Führende Beat Feuz siegte zuletzt in Wengen und jagt seinem ersten Erfolg in Kitzbühel hinterher. Im Abschlusstraining pokerte der Schweizer und kam nicht in die Top 15. Aus dem deutschen Team waren Andreas Sander mit der fünftbesten Zeit und Romed Baumann als Achter weit vorn. Letztlich zählt es erst im Super-G und Abfahrt. «Ich freue mich brutal», kündigte Dreßen an.
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(dpa)