Dresden – Da es seit fast einem halben Jahr keinen Präsidenten in der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft DESG gibt, übernimmt Vizepräsident Uwe Rietzke in Zeiten der Corona-Krise weiter Verantwortung im Verband.
Ein finanzielles Loch in der Verbandskasse, nur wenige überzeugende Leistungen der Topsportler im zurückliegenden Winter und der schier endlose Knatsch zwischen dem Bundestrainer und Claudia Pechstein. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur äußert sich der 57-jährige Dresdner zu Problemen und Lösungsansätzen.
Wie arbeitet die DESG unter den Bedingungen der Corona-Krise?
Uwe Rietzke: Die Geschäftsstelle arbeitet derzeit unter Beachtung der regionalen Bestimmungen zur Kontaktreduzierung. Dies bedeutet, dass sofern möglich Homeoffice genutzt wird und direkte Kontakte zwischen den Mitarbeitenden durch versetzte Dienste vermieden werden.
Wie wirken sich die eingeschränkten Trainingsmöglichkeiten auf die Top-Athleten aus?
Rietzke: Hier ist derzeit die normale «Urlaubssaison» im Wintersport. Die Sporttreibenden sind selbstverständlich gehalten, die eigene allgemeine Fitness zu erhalten. Vor allem geht es derzeit darum, unter Einhaltung der regional differenzierten Vorsorgemaßnahmen wegen Corona, die Gesundheit zu erhalten.
Nach der durch das Virus erzwungenen Absage der Außerordentlichen Mitgliederversammlung gibt es kein neues Präsidium. Damit ruht ein Großteil der Arbeit weiter auf dem ehrenamtlichen Zwei-Mann-Präsidium. Wie kommen Sie damit zurecht?
Rietzke: Die Erfüllung meiner Arbeitsaufgabe hat sicherlich neben den Vorsorgemaßnahmen für die Gesundheit der Familie höchste Priorität. Die Präsidiumsmitglieder stehen in regelmäßigem Austausch per Telefon, Mail und Video, um sich über die Aufgaben zu verständigen.
Rietzke: Wie stellt sich die finanzielle Situation der DESG jetzt zum Frühjahr dar? Ist die Finanzlücke von 400 000 Euro kleiner geworden?
Rietzke: Welche Auswirkungen die Corona-Krise auf die Sportwelt im Ganzen und die DESG im konkreten haben wird, kann derzeit keiner seriös sagen. Wir stehen hier mit dem DOSB und BMI in engem Austausch, um gemeinsam diese schwierige Zeit zu meistern. Sicherlich sind derzeit die Unternehmen mit der eigenen Existenzsicherung beschäftigt, statt in ein neues Sponsorenengagement einzutreten.
Rietzke: Sie haben sich noch nicht präzise geäußert, ob Sie sich eine Arbeit als DESG-Präsident vorstellen könnten, andererseits haben Sie das auch nie ausgeschlossen. Wann werden die Wahlen nachgeholt?
Rietzke: Die Wahl des Präsidiums wird, wenn man die Corona-Maßnahmen realistisch betrachtet, sicherlich erst in einer ordentlichen MV erfolgen. Somit ist die kommissarische Führung des Verbandes als 1. Vizepräsident gemäß Satzung die aktuelle Option.
Wie beurteilen Sie die Sponsoren-Zusagen von Matthias Große für den Fall seiner Präsidentschaft?
Rietzke: Über die Besetzung des Präsidiums entscheidet allein die Mitgliederversammlung. Ziel sollte es nach meinem Verständnis bei einer Sponsorenbindung stets sein, dass diese langfristig angelegt ist und nicht zwingend an handelnden Personen festgemacht wird.
Was sagen Sie zu der Präsidentschafts-Bewerbung von Michael Kurz, der bisher in der Eisschnelllauf-Szene niemandem bekannt ist?
Rietzke: Es ist interessant festzustellen, dass ein Bürger des Landes sich aus freien Stücken für dies Amt nachfragt. Durch das Coronavirus war ein persönlicher direkter Austausch bisher nicht möglich.
Welche Hoffnungen setzen Sie auf die Initiative «DESG gemeinsam retten»?
Rietzke: Insofern ich die hier agierenden Personen als Interessierte an der DESG wahrgenommen habe, können sich hieraus auch Lösungsansätze ergeben. So hat nach meinem Verständnis die Gruppe einen übergreifenden Gedankenaustausch initiiert, um im Hause der DESG einen gemeinsamen Weg in die Zukunft zu finden.
Die gesamte Saison über währt der Konflikt von Bundestrainer Erik Bouwman und Claudia Pechstein. Er wirft kein gute Licht auf den Verband, wie wollen Sie den Streit endlich beilegen?
Rietzke: Ich hege die Hoffnung, dass hier in moderierten Gesprächen eine zukünftige Arbeitsbasis geschaffen werden kann. Hier kann ggf. auch die Besinnung auf das Wesentliche durch die Corona-Krise bei allen Beteiligten eine Kompromissbereitschaft entwickeln.
War Bouwmans Kritik an Pechstein akzeptabel?
Rietzke: Die freie Meinungsäußerung ist ein Grundrecht unserer Gesellschaft. In meinem Verständnis sind hier Grundsätze zu beachten, wie das Vermeiden von Beleidigungen jedweder Art. Hier sollte sich jeder seiner Wirkung bewusst sein.
Zur Person: Uwe Rietzke (57 Jahre) ist seit September 2012 Vizepräsident der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft und in dieser Funktion zuständig für Shorttrack. Nach dem überraschenden Rücktritt von Präsidentin Stefanie Teeuwen im November leitet er das nur noch aus zwei Personen bestehende DESG-Präsidium.
Fotocredits: Sandy Hoeft
(dpa)