Garmisch-Partenkirchen (dpa) – Lindsey Vonn zeigt viele Gesichter. Auf der Skipiste wie dem roten Teppich ist sie meist im Mittelpunkt. Es gibt aber auch andere Seiten am 33 Jahre alten US-Skistar, der im alpinen Rennsport von Rekord zu Rekord eilt. Der Versuch einer Typologie.
Die EHRGEIZIGE REKORDJÄGERIN: Bleibt sie unverletzt, wird Vonn wohl noch in diesem Jahr Ingemar Stenmarks Rekord von 86 Weltcupsiegen brechen – nur noch sechs Erfolge fehlen. Zuvor aber will sie unbedingt ihr zweites Olympia-Gold nach dem Abfahrt-Sieg von Vancouver 2010: «Das ist jeden Tag in meinem Kopf, immer wenn ich schlafe, mache ich ein bis zwei Läufe, mindestens. Jetzt bin ich bereit für diese Olympischen Spiele», sagte Vonn in Garmisch-Partenkirchen.
Die TAKTIKERIN: Für ihr zweites Olympia-Gold riskiert sie nicht mehr immer alles. Ist die Piste zu weich, hat viele Schläge, ist die Sicht schlecht, gibt Vonn auch mal etwas weniger als 110 Prozent. «Ich fahre schon aggressiv, aber lege nicht alle Karten auf den Tisch, ich behalte mir einige Extra-Asse für Olympia», sagt sie. Zu schmerzhaft sind die Erfahrungen vieler Verletzungen: 2013 bei der WM etwa riss bei schlechten Bedingungen ihr Kreuzband, die dreimalige Gesamtweltcupsiegerin verpasste Olympia 2014. Nur ein weiterer Olympiasieg steigert ihren Marktwert, weiß…
Die PR-FACHFRAU: Posieren auf dem roten Teppich, Komplimente für Garmisch-Partenkirchen bei der abendlichen Siegerehrung mit Hündin Lucy auf dem Arm – Lindsey Vonn weiß sich gekonnt in Szene zu setzen. Stark geschminkt bei einem Skirennen aufzutreten oder ihr Wunsch, in ihrem Lieblings-Weltcuport Lake Louise gegen die Abfahrts-Herren antreten zu dürfen gehören da ebenso zum Geschäft wie Fragen zu ihrem Liebesleben. Vonn hat akzeptiert, dass die Medien sich auch auf die negativen Seiten ihres Privatlebens stürzen. Die gescheiterte Ehe mit Thomas Vonn und das Beziehungsende mit Golfstar Tiger Woods fanden breites mediales Interesse. Selbst als ihr Handy gehackt wurde und intimste Fotos illegal ins Netz gestellt wurden, nahm Vonn Stellung.
DIE DRAMA-QUEEN: Kritiker warfen Vonn vor, sie stelle sich gern in den Mittelpunkt. 2010 bei den Winterspielen in Vancouver waren Schmerzen am Schienbein ein mediales Dauerthema. Trotzdem oder gerade deswegen – das ist schwer zu sagen – gewann Vonn Abfahrts-Gold auf ihrem Heimat-Kontinent. Als Maria Riesch 2011 den Gesamtweltcup wegen eines abgesagten Rennens mit nur drei Punkten Vorsprung auf Vonn gewann, tat sich diese mit einer herzlichen Gratulation mehr als schwer. Die lange so enge Freundschaft der beiden bekam einen Knacks. «Lindsey braucht es, sich selber zu pushen. Immer gewinnen zu wollen und andernfalls nicht zufrieden zu sein, das gehört zu ihrem Image», sagt Höfl-Riesch über die heute wieder bessere Freundin.
DIE STEHAUFFRAU: Mit ihrer Verletzungs-Vita hätten andere Sportlerinnen längst ihre Karriere beendet – für Vonn kommt Aufgeben nicht in Frage. Gleich zwei Kreuzbandrisse 2013, ein gebrochener Knöchel, ein Schienbeinkopfbruch und ein Rennen tags drauf – der kleine Auszug aus ihrer Krankenakte zeigt: Diese Athletin ist hart im Nehmen. Ihre Depressionen machte Vonn selbst öffentlich, um anderen Betroffenen Mut zu machen. Sie nimmt weiterhin Medikamente und sagt: «Skifahren ist die beste Medizin».
Fotocredits: Stephan Jansen
(dpa)