Gröden – Was waren das für Momente im Dezember 2017 in Gröden: Josef Ferstl, der zum ersten Weltcup-Sieg rast. Die Siegerehrung nach dem Super-G, als sich die deutschen Trainer in den Armen lagen. Die Augenringe bei dem Oberbayern nach einer kurzen Triumph-Nacht.
Nach Jahren im Ski-Mittelmaß und viel Verletzungspech schien der Sportler aus Hammer den Durchbruch geschafft zu haben. Aber die Hoffnung im Deutschen Skiverband erfüllte sich nicht. Stattdessen wurde Thomas Dreßen mit dem Coup in Kitzbühel zum Star. Weil dieser mit einem Kreuzbandriss aktuell ausfällt, rückt Ferstl wieder mehr in den Fokus – vor allem vor der Rückkehr an die Strecke des einmaligen Erfolgs.
Am Freitag (12.00 Uhr) geht der 29-Jährige in Südtirol als Titelverteidiger in den Super-G auf der berühmten Saslong-Piste. «Klar fahre ich mit einem guten Gefühl nach Gröden», sagte Ferstl vor dem ersten europäischen Klassiker-Wochenende. «Der Erfolg aus dem letzten Jahr war wirklich ein tolles Erlebnis und hat mir gezeigt, dass ich ganz vorne mitfahren kann, wenn alles zusammenpasst.»
Vor zwölf Monaten passte alles zusammen: Ferstl gelang eine tadellose Fahrt, mit Startnummer 2 hatte er ideale Bedingungen. Danach setzte Schneefall ein, die Sicht wurde schlechter, viele Favoriten hatten keine Chance mehr. Nach 38 Startern wurde das Rennen abgebrochen.
So ein Wetterglück hatte Ferstl danach aber nicht noch einmal, und deshalb war das, was nach Gröden 2017 kam, schon enttäuschend für den DSV. «Ich hätte mir nach dem Erfolg mehr erwartet vom Pepi», sagte Bundestrainer Mathias Berthold, «auch in der Abfahrt».
Dass es bei Ferstl in der Königsdisziplin nicht so funktioniert wie gewünscht, hat laut Berthold einen kuriosen Grund, nämlich die Trainingsfahrten. Normalerweise tasten sich Athleten dabei langsam an das richtige Material und die Fahrlinie für den Wettkampf heran. «Der Pepi ist oft im ersten Training stark und findet gleich den richtigen Punkt. Dann aber beginnt er zu tüfteln, um noch schneller zu werden, erzielt damit aber den gegenteiligen Effekt», erklärte Berthold der Deutschen Presse-Agentur und meinte: «Das ist eine Kopfsache.»
«Ich möchte von ihm mehr Aggressivität sehen. Manchmal müsste er kompromissloser, einfach brutaler fahren», meinte der Coach zudem.
Der Sohn des zweimaligen Kitzbühel-Siegers Josef Ferstl senior sagt: «Ich bin extrem empfindlich bei den Kleinigkeiten und Details. Das muss bei mir einfach stimmen, sonst läuft es nicht.» Sein Erfolg in Gröden – der erste eines Deutschen in der Disziplin nach 27 Jahren Pause im Weltcup – hat an der Sensibilität nichts geändert. «Der Sieg, der ist passiert», erzählte er. «Dass ich noch nicht der konstante Läufer bin, das weiß ich. Dass ich kein Seriensieger bin, das weiß ich.»
Podiums- oder gar Siegambitionen wären vermessen. Für Ferstl geht es trotz des Coups aus dem Vorjahr darum, sich langsam nach vorne zu kämpfen. In Beaver Creek landete er zuletzt auf Platz 13 in der Abfahrt. Im Super-G wurde er wegen seiner Startnummer 1 und der verschneiten Piste 30., zeigte aber eine ordentliche Leistung. «Das macht ein bisschen Mut, dass was kommen kann», meinte Berthold.
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(dpa)