Berlin – Jan van Veen schmunzelt. «Anfangs hatten einige ein Problem. Die Sportler haben ein bisschen Zeit benötigt, sich in das neue System hineinzuarbeiten», sagt der neue Chefcoach der deutschen Eisschnellläufer im Interview der Deutschen Presse-Agentur.
Seit dem Sommer greift der Trainingsplan des Niederländers und nicht selten fallen seitdem seine Auswahlläufer abends erschöpft ins Bett. «Aber jetzt, nach einige Wochen, haben sie sich daran gewöhnt», sagt der Erfolgcoach, der in seiner Heimat Team-Olympiasieger Koen Verweij, Jan Blokhuijsen und Lotte van Beek in die Weltspitze führte.
Nun soll der Mann aus dem Örtchen Dwingeloo den einstigen deutschen Vorzeige-Verband aus der Krise führen. Er gehe gern mal Abenteuer ein, sagt er. Und er hat in acht Monaten schon viel verändert. «Wir haben viel intensiver trainiert, jede Stunde besser genutzt», berichtet der Schwarzschopf mit dem leicht grau melierten Bart. «Es wird mehr spezifisch gearbeitet. Heute sind die Geschwindigkeiten so groß, dass sich das Training einfach anpassen muss.»
Seine Vorgänger möchte van Veen nicht kritisieren. «Aber ich kenne die Trends im Training, mit denen internationale Topleistungen erreicht werden», sagt er selbstbewusst und lobt die großartigen Bedingungen in Deutschland. «Ich habe keine Schwächen gesehen. Alles ist da. Es gibt viele Leute, die den Leistungssport möglich machen.» Sein einziger Kritikpunkt ist die mangelnde Flexibilität in Sachen Trainingssteuerung: «Die Programme waren immer dieselben in den letzten Jahren, solche Programme gebe ich aber nicht vor. Das System war zu starr. Aber da arbeiten wird dran.»
Und allein ein Satz von van Veen macht deutlich, woran es in Deutschland krankte: «Dass Leistungssport am Freitag um Vier endet, das geht gar nicht.» Samstag und Sonntag sei auf den Eisbahnen wenig los gewesen. «Mein Plan ist anders.»
Wenig stört den neuen Hoffnungsträger, dass in Claudia Pechstein und Patrick Beckert die zwei erfolgreichsten deutschen Eisschnellläufer nicht nach seinem Konzept trainieren. «Ich habe überhaupt kein Problem damit. Die Ergebnisse von Claudia Pechstein in der Vergangenheit sind aller Ehren wert. Und wenn sie jetzt sagt, sie nimmt mit fast 45 Jahren noch einmal Olympia in Angriff und macht das auf eigene Weise, dann ist das perfekt», sagt van Veen.
Auch Beckert sei überzeugt, dass sein individuelles Programm mit dem kanadischen Trainer Gabriel Girard in Erfurt das richtige für ihn sei. «Ich habe darüber überhaupt keine Kontrolle. Ich weiß nicht, was sie vorher gemacht haben und was sie heute trainieren.»
Pechstein und Beckert hatten bei den Weltmeisterschaften in Kolomna mit insgesamt fünf vierten Plätzen die besten Ergebnisse im deutschen Team erreicht, das erste medaillenlose Abschneiden der Deutschen in der Geschichte der Einzelstrecken-WM aber nicht verhindern können.
Van Veen ist zuversichtlich, dass sich bei den meisten der vom ihm betreuten rund 20 Spitzen-Athleten schon in diesem Winter Fortschritte zeigen. «Ich habe ein sehr gutes Gefühl. Die Leute ziehen mit, sind mit ganzem Herzen dabei», sagt er. «Aber einen Weltmeister werden wir in diesem Winter nicht feiern können. Ein Weltmeister kann nicht aus dem Nichts kommen, ich bin kein Zauberer.»
Die hohen Erwartungen vor der WM im Olympia-Ort Pyeongchang schrecken ihn nicht. «Das macht mich nicht nervös. Ich bin aber nicht für 200 Tage weg von zu Hause und hier in Deutschland, um mal ein bisschen Training zu machen. Es geht um Ergebnisse.» Und van Veen strahlt Zuversicht aus: «Wenn die rote Linie klar ist, und man hat Ziele, die eine echte Herausforderung sind, dann geht es vorwärts.»
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(dpa)