Berlin – Sogar auf den Weihnachtstrip nach Hause zur Familie hatte Denise Herrmann verzichtet. Stattdessen war die 31 Jahre alte Biathletin mit ihrem Freund, dem Langläufer Thomas Wick, im schweizerischen Davos – und trainierte.
Denn nicht nur Herrmann will beim ersten Weltcup des neuen Jahres im thüringischen Oberhof endlich die Misere der sonst so erfolgsverwöhnten deutschen Skijägerinnen beenden, die noch nie so schwach waren wie derzeit. «Wir wollen den Rückstand auf die internationale Spitze verringern», kündigte Damen-Trainer Kristian Mehringer vor dem Sprint-Wettkampf am Donnerstag (14.30 Uhr/ARD und Eurosport) an.
Als die zweimalige Olympiasiegerin Laura Dahlmeier nach der Vorsaison ihre Karriere mit gerade einmal 25 Jahren beendete, sahen es ihre Teamkolleginnen auch als Chance, endlich aus dem übergroßen Schatten der Ausnahmekönnerin zu treten. Doch derzeit überstrahlt ihr Verlust alles andere – kein Podestplatz nach den ersten drei Weltcups ist ebenso so historisch negativ wie Staffelplatz zwölf und Rang 41 von Herrmann als Beste im Sprint von Hochfilzen. Zumindest bei der ehemaligen Langläuferin ging vor Weihnachten mit drei Top-Sechs-Plätzen die Formkurve nach oben.
Dass es für Herrmann & Co schwer werden würde, ist nicht überraschend. Dahlmeier kaschierte mit ihren Erfolgen einiges. Nach dem Rücktritt von Magdalena Neuner 2012 war sie die neue Heilsbringerin. Eine Nachfolgerin ist nicht in Sicht – Seriensiege wie zu Dahlmeiers und Neuners Zeiten werden wohl vorerst ausbleiben.
«Lena und Laura waren Jahrhundert-Talente, die es so schnell nicht wieder geben wird», sagte ihr Entdecker und Trainer Bernhard Kröll der Deutschen Presse-Agentur. Zwar sind Talente da wie Anna Weidel und Janina Hettich, beide 23 Jahre alt. Aber bisher haben beide den Sprung in den Weltcup noch nicht nachhaltig geschafft.
Für Neuner ist die jetzige Lage vielleicht sogar «ein strukturelles und gesellschaftliches Problem». Sie wusste schon als Kind, dass sie Olympiasiegerin werden wollte und ordnete dem alles unter. «Vielleicht ist diese Bereitschaft heutzutage gar nicht mehr so da», sagte Neuner der Deutschen Presse-Agentur. Sie machte nicht nur im Leistungssport, sondern auch «in vielen Berufen und in der Gesellschaft» die Beobachtung, «dass die jungen Leute gar nicht mehr so bereit sind, wirklich ihr letztes Hemd zu geben, um erfolgreich zu sein».
Diese Entwicklung ist auch ihrem Förderer Kröll nicht entgangen. Während Neuner und auch Dahlmeier akribisch an sich arbeiteten, sich quälten und in ihrer Jugend – freiwillig – auf viel verzichteten, sei die Einstellung heute eine andere. Die Sporthelden hätten kaum noch Strahlkraft – und einer zu werden, sei kaum noch ein erstrebenswertes Ziel. Gefragt nach Wünschen und Hoffnungen, sind für viele Nachwuchssportler ein gutes Abitur, das Studium, ein gut bezahlter Beruf und Reisen viel wichtiger. Mit den Anforderungen an den Leistungssport ist das nicht vereinbar.
In Zeiten von Youtube, Instagram und Facebook sind Sportheroen wie Dirk Nowitzki oder Steffi Graf bei der Jugend nicht mehr so gefragt. Nicht verwunderlich, meinte Kröll, wenn man als Sieger im Dschungelcamp 100 000 Euro kassiert, ein Olympiasieger 2018 aber nur 20 000 Euro Prämie für den größten sportlichen Erfolg erhielt.
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(dpa)