Hochfilzen (dpa) – Norwegens Volksheld Ole-Einar Bjørndalen steht unter Druck. «Er bekommt keinen Freifahrtsschein zu Olympia», hat Biathlon-Sportchef Per Arne Botnan angekündigt. «Er muss sich qualifizieren wie alle anderen.»
Beim norwegischen Staffel-Sieg in Hochfilzen erntete der Funktionär prompt öffentlichen Widerspruch: «Das zeigt, warum er für Olympia nominiert werden sollte», sagte TV-Kommentator Andreas Stabrun Smith nach dem geglückten Auftritt des 43 Jahre alten Rekordweltmeisters.
Auch Techniktrainer Torgeir Bjørn, ein ehemaliger Langläufer, sieht Bjørndalen auf dem richtigen Weg. «Das ist eine gute Bewerbung für die Olympia-Staffel – und ein großer Schritt in die richtige Richtung», sagte er in Hochfilzen. In Tirol hatte Bjørndalen übrigens die erste seiner 20 WM-Goldmedaillen geholt: Vor 19 Jahren, 1998 ebenfalls mit der Staffel.
Die ohne den viermaligen Olympiasieger und elfmaligen Weltmeister Emil Hegle Svendson und ohne die bislang den Weltcup-Zirkus dominierenden Brüder Tarjei (1 Sieg) und Johannes Thingnes Bø (3) angetretenen Norweger setzten sich im ersten Staffel-Wettbewerb des Olympia-Winters überlegen vor Deutschland durch. Startläufer Bjørndalen durfte endlich wieder jubeln. «Es macht Spaß mal wieder oben zu stehen», gab er zu.
Der achtmalige Olympiasieger wies den Norwegern mit seiner Erfahrung den Weg. Der Rekord-Olympiasieger ist zudem sicher, bis zu den Winterspielen in Südkorea in Form zu kommen. «Es ist noch lange hin bis Olympia, und ich habe viel Zeit.»
Besser läuft es bei Bjørndalens Ehefrau Darja Domratschewa. Die Weißrussin wurde Dritte in der Verfolgung und gewann zuvor den Sprint. Es war der erste Weltcup-Sieg der 31-Jährigen nach der Geburt von Töchterchen Xenia. Die dreimalige Olympiasiegerin ist nach ihrem Baby-Comeback Anfang 2017 auf dem Weg zu alter Stärke.
Schon vor zehn Monaten hatte Domratschewa aufgetrumpft. Nur vier Monate nach der Geburt der gemeinsamen Tochter hatte sie bei der WM Silber in der Verfolgung hinter Laura Dahlmeier geholt. «Ihr Comeback ist unglaublich», sagte vor zehn Monaten Bjørndalen, der am gleichen Tag Bronze im Jagdrennen gewonnen hatte.
Seine Ehefrau hatte vor der Entbindung mit dem Pfeifferschen Drüsenfieber zu kämpfen. «Es war nie ein Gedanke, während meiner Krankheit und meiner Schwangerschaft mit Biathlon aufzuhören», sagte sie. «Dazu liebe ich diesen Sport zu sehr. Es war mein Ziel zurückzukommen.»
Gemeinsam mit ihrem Ehemann bereitet sich Domratschewa auf Olympia vor, und zwar professionell. Auf dem 1,5 Millionen-Euro teuren Truck mit Küche, Esszimmer, Dusche, Betten, Fitnessstudio und Laufband prangt auf der einen Seite das Foto Bjørndalens und auf der anderen jenes von Domratschewa, die seit ihren drei Olympiasiegen in Sotschi 2014 eine weißrussische Nationalheldin ist. Die im Oktober 2016 geborene Tochter ist samt Kindermädchen bei den Weltcup-Rennen immer mit dabei.
«Wir sind gelassener, weil wir es einfach sein müssen», sagt Bjørndalen. «Wenn das Baby zu früh aufwacht, dann muss man einfach aufstehen.» Vielleicht hilft dem Super-Helden der Norweger, dem Perfektionisten, diese Gelassenheit auch beim Kampf um die siebte Olympia-Teilnahme. Eine 14. Medaille erscheint trotz allem keine Utopie.
Fotocredits: Hendrik Schmidt
(dpa)