Kvitfjell – Bei der WM in St. Moritz demonstrierte Thomas Dreßen mit Rang zwölf in der Abfahrt und einem sensationellen dritten Rang vor dem Kombinations-Slalom seine großen Fähigkeiten. Und schon in seiner zweiten Saison hat er sich für das Weltcup-Finale in Aspen qualifiziert.
Die Frage nach seinem Vater nimmt Thomas Dreßen so selbstverständlich wie die Geländeübergänge auf der Ski-Piste. «Diese Geschichte ist ein Teil von mir. Die hat mich geprägt. Ich lebe damit, rückgängig kann man es nicht machen. Das habe ich akzeptiert», sagt der 23 Jahre alte Skirennfahrer vom SC Mittenwald. Sein Vater kam vor elfeinhalb Jahren bei einem von einem Hubschrauber verursachten Seilbahnunfall ums Leben.
Dass Dreßen darüber spricht, hat mit seiner außergewöhnlich guten Saison zu tun. Seit Samstagnachmittag steht fest, dass er sich mit dem besten Wochenende seiner Karriere und den Plätzen sechs und elf in den Abfahrten von Kvitfjell schon in seiner zweiten Saison für das Weltcup-Finale in Aspen qualifiziert hat. Im Sog von Andreas Sander und Josef Ferstl, die in diesem Winter den Aufwärtstrend der vergangenen Jahre mehrfach bestätigten, hat sich Dreßen zum größten Versprechen für die Zukunft entwickelt.
Aber so viel wissen die Leute noch nicht über den jungen Mann aus Bayern, der sich mit seinen 1,88 Metern, Schuhgröße 48 und offiziell 94 Kilogramm vor keinem Abfahrer der Welt verstecken muss und über den Alpinchef Wolfgang Maier sagt: «Man darf hoffen, dass wir hier einen absoluten Weltspitzenfahrer entwickeln.» Also erzählt Dreßen. Über sich, die Saison und auch über den Tod seines Vaters in Sölden.
Seit drei Jahren ist der Schriftzug des Gletscherskigebiets im Ötztal im Winter zudem sein ständiger Begleiter – als Werbepartner. «Ich habe mir gedacht: Ich kenne die Leute, und warum soll man da nicht fragen», berichtet Dreßen und betont: «Ich wollte nicht, dass sie sich verpflichtet fühlen – sondern das aus sportlicher Sicht bewerten. Auf Almosen habe ich keine Lust. Das war mir extrem wichtig. Und darauf basiert es.»
Das Engagement lohnt sich für beide Seiten. Knochenprellungen in beiden Kniegelenken haben ihn 2013 in seiner Entwicklung zwar gebremst, aber nicht gestoppt. Das anerkennen auch die Teamkollegen. «In dem Alter in der Abfahrt Sechster zu werden, das ist richtig, richtig stark», sagt Sander.
Auch er darf beim Weltcup-Finale in Colorado starten – sehr zur Freude von Maier. «Wir hatten ja viele Jahre, wo wir gar nicht dabei waren», sagt er. «Wir müssen zwar dran bleiben. Aber das ganz große Loch konnten wir schließen.» Die Olympia-Medaille in einem Jahr, die Cheftrainer Mathias Berthold bei seiner Rückkehr zum Deutschen Skiverband vor drei Jahren als langfristiges Ziel für die Speedfahrer ausgegeben hat, scheint tatsächlich machbar.
Doch so weit will Dreßen überhaupt nicht denken. «Unser Sport ist so kurzlebig. Ein Sturz kann die ganze Saison beenden. Ich schaue nur auf das nächste, was kommt», sagt er und will sich auch auf keinen Fall mit irgendetwas zufrieden geben. «Wenn ich mich darauf ausruhe, dann schaut es nächstes Jahr schon nicht mehr so gut aus.»
Immer weiter – das Motto galt schon im Alter von elf Jahren. Aufhören war nie ein Thema. «Die Frage hat sich für mich sofort erledigt. Es war immer der Traum von meinem Vater und von mir, dass wir es schaffen in den Weltcup», sagt Dreßen und erzählt vom Abend nach Rang sechs in Kvitfjell: «Als ich im Bett gelegen bin, habe ich schon an meinen Vater gedacht und gehofft, dass er das mitbekommen hat.»
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(dpa)