Ostrau – Sprungkünstler Javier Fernandez erreichte zu nächtlicher Stunde nur noch humpelnd das Podium der Pressekonferenz.
«Mir tut einfach alles weh», gab der Spanier nach seinem fünften Europameister-Titel in Ostrau/Tschechien zu. Ein kapitaler Sturz beim Versuch des vierfachen Salchows zog Schmerzen an Hüfte und Rippen nach sich. «Es war einer meiner schlimmsten Stürze», sagte der zweimalige Eiskunstlauf-Weltmeister, der mit seiner Elvis-Presley-Kür trotzdem die 10 000 Zuschauer von den Sitzen riss.
In Europa ist der charismatische Läufer mit Trainingsort Toronto bei Starcoach Brian Orser derzeit nicht einzuholen, da kann er sich locker den einen oder anderen Fehler erlauben. Er prägt eine Ära, wie es zuvor Jewgeni Pluschenko mit seinen sieben Titeln vorgemacht hat. Erst, wenn es Ende März zu den Weltmeisterschaften nach Helsinki geht, muss Fußball-Fan Fernandez, der als weltweiter Botschafter auch die Primera Division vertritt, voll da sein. Die Konkurrenten aus Japan, USA und Kanada hatten ihn beim Grand-Prix-Finale eingeholt.
«Ich habe mir wohl einiges für die WM aufgehoben», meinte 25-Jährige aus Madrid. Schon im Morgentraining klappten die Königssprünge nicht, immer wieder landete er auf dem Eis.
Das kennt Paul Fentz nur zu gut. Der Berliner eifert dem quirligen Fernandez nach und erreichte mit seinem Pink-Floyd-Vortrag immerhin Platz zehn. Seine 225,85 Punkte waren persönliche Bestleistung, aber immer noch Welten von den 294,84 des Südeuropäers entfernt. «Er ist genial und für mich ein Vorbild beim Springen», erzählte Fentz. Der ein Jahr jüngere Sportsoldat schaute sich die Anfangsrotation beim vierfachen Toeloop ab. Die Folge: Zweimal landete er ihn in seiner Kür – nicht ganz sauber, aber immerhin.
«Ich kann nicht über mich selbst schimpfen», sagte der deutsche Vizemeister. Die Top Ten waren sein Ziel – damit sicherte er nicht nur zwei Startplätze für die EM im nächsten Jahr in Moskau, sondern auch das einzige WM-Ticket. Weil er zwei Plätze im Vergleich zum Kurzprogramm gut gemacht hatte, muss er nicht in ein Ausscheidungslaufen gegen seinen Vereinskollegen und deutschen Meister Peter Liebers sowie den Oberstdorfer Franz Streubel. Nun kann er beim Tirol Cup im Februar in Innsbruck einfach zum Spaß laufen.
Den hat der früher nervöse Läufer nämlich für sich entdeckt. Er genießt neuerdings die Minuten auf dem Eis, nimmt das Publikum wahr und will neben dem vierfachen Toeloop nun auch den Salchow angehen. Trainerin Romy Oesterreich sieht die Entwicklung mit Wohlwollen: «Er ist strukturierter im Kopf, viel klarer.» Erstmals glückte Fentz sowohl das kurze als auch das lange Programm. Er interpretiert die Musik so gefühlvoll wie derzeit kein anderer Deutscher.
«Die Leistungskurve zeigt nach oben, das brauchen wir auch. Mit dieser Leistung kann er dagegen halten», sagte Udo Dönsdorf, Sportdirektor der Deutschen Eislauf-Union. Zudem habe Fentz noch Potenzial: «Er hat eine saubere Technik, das ist die wesentliche Grundlage.»
«Paul hat verdientermaßen den einen WM-Platz bekommen, nun muss er bei der WM einen Packen drauflegen», betonte Dönsdorf. Mit ebenfalls Platz zehn von Nicole Schott sowie der Silbermedaille für Aljona Savchenko/Bruno Massot war die DEU zufrieden mit der EM-Bilanz und ließ die Woche mit einem Sektempfang im Hotel ausklingen.
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(dpa)