Oberstdorf – In ihren Heimat-Loipen in Oberstdorf hatte Nicole Fessel auf dem fünften Tagesabschnitt mit dem zweiten sechsten Platz bei dieser Tour noch einmal nachgewiesen, dass sie die derzeit beste deutsche Langläuferin ist. Der 34-Jährigen fiel der vorzeitige Ausstieg aus der Tour de Ski danach leicht.
Nun gilt es, das Niveau bis zu den Olympischen Winterspielen im Februar in Pyeongchang zu halten und möglichst weiter zu verbessern. Dazu wird ein Trainingsblock eingeschoben. Erst eine Woche vor dem Abflug nach Südkorea erfolgt ihr Wiedereinstieg in den Weltcup in Seefeld.
Dass Fessel wieder die beste DSV-Läuferin ist, dass sie überhaupt noch läuft, ist nicht selbstverständlich. «Mir ging es im Frühjahr, im Sommer und auch in der unmittelbaren Saisonvorbereitung im Herbst sehr schlecht. Ich war zwei-, dreimal nahe dran, alles hinzuwerfen», erzählt die Allgäuerin. War es anfänglich noch die fehlende Motivation nach der unbefriedigend gelaufenen WM in Lahti, holten sie dann medizinische Probleme ein. «Mein Blutbild war katastrophal. Und das nicht bei einzelnen Werten und an einzelnen Tagen, sondern komplett und das über einen längeren Zeitraum. Eineinhalb Stunden Training am Tag reichten, damit ich komplett fertig war.»
Halt fand sie bei ihrem Freund, ihrer Familie und auch bei der Sportlichen Leitung im Deutschen Skiverband. «Ich habe gelernt, Sport und Privatleben zu trennen. Das war mir vorher nie gelungen. Ich weiß jetzt, dass es ein Leben neben dem Sport gibt», sagt die Staffel-Dritte von Sotschi 2014. «Und ich habe gespürt, dass ich auf meinen Körper hören kann. Er nimmt sich die Auszeiten, die er braucht.»
Vom DSV bekam sie die Zeit, sich auszukurieren, und die Gelegenheit, eigene Wege zu gehen. «Nikki ist eine verdienstvolle Athletin, der man auch Privilegien zugestehen muss, auch wenn sie die nie einfordern würde», sagt Andreas Schlütter, der Sportliche Leiter der Langläufer. Er sah die lange Trainingspause sogar als Chance. «Bislang war es doch immer so, dass sie bereits nach ein, zwei Wettkampfstationen zu Saisonbeginn die Qualifikation für den Jahreshöhepunkt in der Tasche hatte, dann noch irgendwie die Tour de Ski mitnahm und danach krank war.» Jetzt sei Fessel erst spät eingestiegen, habe bis jetzt eine starke Tour gelaufen und könne sich nun gezielt auf Olympia vorbereiten. «Das könnte ein Vorteil sein.»
So sieht es auch die Athletin selbst. «Ich steige jetzt in einem Formhoch aus dem Wettkampfzyklus aus und trainiere noch einmal intensiv», sagt sie. Was dann bei Olympia herauskommt, ist zunächst zweitrangig. «Ich habe ja schon eine Medaille.»
Fessel mag noch nicht an ihr Karriereende denken. «Langlauf ist mein Leben», sagt sie. «Irgendwann ist natürlich Schluss, aber das geht dann wahrscheinlich von Heute auf Morgen.»
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(dpa)