Garmisch-Partenkirchen (dpa) – Der Bundestrainer hatte es schon vorher gewusst. «Allen, die vielleicht auf eine Auferstehung von Severin Freund gehofft haben, denen habe ich den Zahn gezogen», sagte Werner Schuster bei der Vierschanzentournee. «Das war mir klar.»
Sein früherer Weltklasse-Adler springt den Top-Leuten beim ersten Highlight des Winters nur hinterher, verpasste zum Auftakt in Oberstdorf gar den zweiten Durchgang und damit die Punkteränge. Er hätte sich erhofft, dass die Rückkehr zu alter Form schneller geht, sagte Skispringer Freund in Garmisch-Partenkirchen. «Aber das Leben ist kein Wunschkonzert.»
Und deshalb sieht das typische Bild des einst besten deutschen Adlers bei der Tournee bislang so aus: Freund springt vom Schanzentisch ab, segelt durch die Luft, landet mit einer viel zu geringen Weite und zieht dann im Auslauf resignierend die Arme leicht nach oben. In Oberstdorf war das so, bei der Quali in Garmisch mit Rang 44 ebenso. Für den 30-Jährigen ist der erhoffte Weg zurück in die Riege der besten DSV-Springer nach zwei Kreuzbandrissen und langer Pause ein harter Kampf mit ungewissem Ausgang.
Aufgeben kommt für ihn trotz mehrerer entmutigender Resultate nicht in Frage. «Das ist natürlich sehr schade», kommentierte er seinen 36. Platz in Oberstdorf. Entschlossen fügte er an: «Weitermachen!».
Freund wirkt aufgeräumt, verzweifelt nicht und geht mit den Rückschlägen professionell um. Geduldig erklärt er den Journalisten seine Sprünge, patzig sieht man den Niederbayern rund um die Tournee-Schanzen nicht. Er sieht seine Situation so: «Ich hatte schon sehr, sehr viele gute Jahre in meiner Karriere. Und dann zu denken, ich komme wieder zurück und es geht gleich nahtlos weiter, ist halt ein bisschen schwierig.» Er weiß: Ein Comeback in die Spitze gelingt nur mit akribischer Arbeit – und viel Geduld.
Und nach Garmisch? Der Mannschafts-Olympiasieger von Sotschi springt auf der Großen Olympiaschanze am Gudiberg auch um die Erlaubnis, überhaupt beim ersten Saisonhöhepunkt weiterspringen zu dürfen. Schuster betonte zuletzt immer wieder, dass auch sein Erfolgsgarant vergangener Tage keinen Freifahrtschein erhält. «Es muss leistungsmäßig gerechtfertigt sein, dass Severin weiterfährt. Sonst fährt er nicht weiter», sagte der 49 Jahre alte Coach.
Bevor es für die zweite Tournee-Hälfte nach Österreich geht, muss Schuster seinen Kader reduzieren. Statt 13 sind dann nur noch sieben Athleten dabei. «Er hat im Moment nicht so viel mehr drauf, da müssen wir Geduld haben», bewertete der Österreicher.
Andere DSV-Adler nähren derzeit die Hoffnungen der deutschen Fans auf neue Erfolge. Allen voran Markus Eisenbichler, der in Oberstdorf Zweiter wurde. Der 27-Jährige versucht, Freund so gut wie möglich zu unterstützen. «Ich kenne ihn schon ewig, und natürlich versucht man, ihn aufzubauen», sagt Eisenbichler. «Wir sind ja ein Team.» Ein Team, zu dem Freund auch am berühmten Bergisel in Innsbruck noch zählen möchte.
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(dpa)