Wengen – So richtig fassen kann Thomas Dreßen seinen famosen Comeback-Winter immer noch nicht.
Nach dem Podest-Coup bei der legendären Lauberhorn-Abfahrt in Wengen kam der Skirennfahrer aus dem Grinsen kaum heraus, weder beim Plaudern im Ziel neben Sieger Beat Feuz, noch beim Gruppenfoto am Fuße von Eiger, Mönch und Jungfrau oder beim exklusiven Helikopterflug zur Siegerehrung runter ins Tal. «Das war mega, es hat richtig Spaß gemacht», sagte der 26-Jährige, der in der Schweiz den nächsten Meilenstein seiner Karriere feierte.
In Kitzbühel vor zwei Jahren war der Mittenwalder sensationell an die Weltspitze gestürmt, nach einem schweren Knie-Schaden und der langen Verletzungspause in der vorigen Saison holt Dreßen nun famos zu den Besten auf. «Er macht es überragend gut», lobte Alpinchef Wolfgang Maier, den Dreßen schon mit seinem Sieg bei der Abfahrt in Lake Louise und Platz drei im Super-G von Gröden verblüfft hatte. «Das dritte Podium ist deutlich mehr, als wir von ihm erwartet haben.»
Dreßen aber hat dieses entscheidende Gespür für Geschwindigkeit und Schnee. Auf der verkürzten Wengen-Abfahrt gelang ihm am Samstag eine fast ideale Fahrt. Einzig kurz nach dem Start patzte er leicht. «Da habe ich nicht die Eier gehabt, dass ich voll durchziehe», sagte er. Danach raste er makellos gen Ziel und war im unteren Abschnitt schneller als alle Rivalen, inklusive dem Schweizer Rekordsieger Feuz und dem zweitplatzierten Dominik Paris. «Er weiß sehr gut, wo man schnell fahren muss, damit man Rennen gewinnt», charakterisierte Cheftrainer Christian Schweiger seinen cleveren Vorzeige-Sportler.
Auch die Konkurrenten sind voll des Lobes. Der Südtiroler Paris etwa sagte in Wengen, angesprochen auf sein elektrisierendes Dauerduell mit Ex-Weltmeister Feuz, dass Dreßen inzwischen längst wieder ein Siegkandidat in allen Rennen sei: «Der Thomas redet auch immer mit.»
Drei Abfahrtssiege hat Dreßen in seiner noch jungen Speed-Karriere bereits eingefahren, so viele wie kein anderer Deutscher. «Man weiß ja, dass er besondere Fähigkeiten hat. Das hat er heute wieder unter Beweis gestellt. Er hat ein irrsinniges Potenzial in der Abfahrt», lobte Alpin-Chef Maier. In Wengen sorgte Dreßen ganz nebenbei für das ersten Abfahrtspodium eines deutschen Athleten seit 29 Jahren – 1992 war Markus Wasmeier beim Klassiker im der Schweiz Zweiter geworden.
Und nun geht es am Wochenende nach Kitzbühel, dorthin, wo der Stern Dreßens 2018 so richtig aufgegangen war. «Ich freue mich riesig», sagte der oberbayerische Sportler vor dem wichtigsten Rennen des Winters. Zunächst gehe es aber darum, sein noch nicht topfittes Knie vorzubereiten auf den wilden Ritt die Streif hinunter. «Ich werde schauen, dass das Knie die nächsten Tage noch eine Pause bekommt: ein bisschen hochlagern, den einen oder anderen Physiotherapeuten besuchen», kündigte Dreßen an. «Dann werde ich schon parat sein.»
Die Verantwortlichen im Deutschen Skiverband bemühen sich nun darum, den Hype um ihren besten Rennfahrer einzuordnen. «Wir sind immer noch im Habachtstellung», bemerkte Maier. Die schwere Verletzung inklusive Kreuzbandriss, Meniskus- und Knorpelschaden sei schließlich gerade mal gut ein Jahr her. «Wir setzen ihn nicht unter Druck.» Schweiger sagte vor der Rückkehr nach Kitzbühel: «Ich glaube, dass wir den Fehler nicht machen dürfen, dass wir daraus einen Mega-Hype machen.»
Sorgen machen sich die Trainer und Betreuer nicht, denn Dreßen kann seine Situation selbst gut einschätzen. Er lässt sich nicht verrückt machen. «Der Thomas ist eher ein kalkulierender Typ. Er ist in keinster Weise einer, der sich irgendwo runter stürzt, ohne zu überlegen. Das macht es aus bei ihm», lobte Trainer Schweiger. Auch Maier unterstrich, dass der Athlet «sehr klar» sei in seinem Tun.
Nach einem langen Bilderbuch-Samstag in Wengen wurde Dreßen gefragt, wie er denn seine aktuelle Entwicklung bewerte. Er berichtete, dass er vor der Saison mit seinem Coach besprochen habe, diesen Winter eher als Übergang zu sehen. «Es sollte darum gehen, dass wir uns eine gute Ausgangslage schaffen für das nächste Jahr», erzählte er. Dann lächelte Dreßen. «Ich glaube, dass das ganz gut gegangen ist.»
Fotocredits: Marco Tacca
(dpa)