Neureuther: «Sehr froh, dass der Druck einfach mal weg ist»

Soldeu – Felix Neureuther ist sein letztes Rennen gefahren und hat seine Karriere am 17. März beendet.

Deutschlands über Jahre bester Skirennfahrer sprach danach im Interview der Deutschen Presse-Agentur über die Emotionen am Start, seine Niederlagen und die Chancen von Ana Ivanovic, ihn künftig als Skilehrer zu haben.

Als Sie am Sonntag das letzte Mal im Starthaus standen, welche Emotionen hatten sie da?

Felix Neureuther: Das war schon sehr emotional. Ich habe probiert, mich zusammenzureißen, sehr zusammenzureißen. Ich wollte mich nochmal gebührend verabschieden mit einem Lauf, das ist mir glaube ich auch gelungen. Deswegen bin ich total happy. Ich war nach dem ersten Lauf schon total happy, dass ich nicht eingefädelt habe oder so. Dann war es einfach nur echt schön im Ziel unten so empfangen zu werden von den Kollgen. Die Vicky (Rebensburg, Anm.), die kleine Schlawinerin, hat den Schampus organisiert und das ziemlich gefeiert. Das war schön und sehr emotional.

Welche Bedeutung hat es für Sie, die Karriere auf Platz sieben und damit mit dem besten Ergebnis dieser Saison beendet zu haben?

Neureuther: Angefangen mit dem aberkannten Weltcup-Sieg von Stefan Luitz war es für die Mannschaft insgesamt einfach eine wahnsinnig schwierige Saison. Keine einfache Zeit. Auch nicht für die Trainer, weil es nicht gut lief. Die arbeiten sehr hart. Deswegen wollte ich das seriös zu Ende bringen und nicht zum Schluss noch einen auf Kasper machen. Für meine Coaches und meinen Servicemann, da das beste Ergebnis der Saison einzufahren, das war einfach nochmal schön.

Wenn Sie auf ihre Karriere schauen, was ist das für ein Blick?

Neureuther: Ein sehr schöner. Ich verspüre in erster Linie große Dankbarkeit. Ich habe es nie als selbstverständlich angesehen, dass ich das machen darf: Skirennen fahren. Das war als kleiner Junge mein Traum. Der ist in Erfüllung gegangen. Wenn ich jetzt als Mann dastehe und diesen Traum Revue passieren lasse, das ist sehr, sehr schön. Da ist ganz egal, was ich gewonnen oder nicht gewonnen habe. Nicht die Zahl der Weltcupsiege oder Podestplätze, sondern die Momente bleiben in Erinnerung. Auch die Freundschaften und Erlebnisse mit den Jungs.

Welche Momente sind besonders in Erinnerung?

Neureuther: Das ist in erster Linie Kitzbühel 2010. Der erste Weltcupsieg dort, das war ein Meilenstein in meiner Karriere. Es war vor allem auch so emotional, weil der Papa im Ziel war. Auch die Weltmeisterschaft in Schladming vor diesen Menschen. Da als Favorit anzureisen, dann das erleben zu dürfen, diese Stimmung, als der Hirscher gefahren ist und vorne war. Eine solche Stimmung wird es so schnell im Skisport nicht mehr geben glaube ich. Dann: Die WM in St. Moritz. Da hat keiner gewusst, dass die Miri schwanger ist. Als ich da die Medaille geholt habe, war das deswegen auch sehr emotional.

Dann mein letzter Weltcup-Sieg in Levi, im ersten Rennen als Papa. Das war der letzte große Sieg, wegen dem habe ich ein Rentier in Finnland, das nach meiner Tochter benannt ist. Auch der Riesenslalom-Sieg in Adelboden war etwas ganz Spezielles. Aber auch die ganzen Momente abseits des Sports. Diesen Kampfgeist kann man fürs Leben mitnehmen; immer wieder die Motivation zu suchen.

Sie hatten in Ihrer Karriere oft Druck. Welche Rolle hat der gespielt und wie froh sind Sie, dass es ihn nicht mehr geben wird?

Neureuther: Eine sehr große Rolle. Schon allein durch meinen Nachnamen war der Druck vorprogrammiert. Da bin ich auch gespannt wie das sein wird, wenn ich in nächster Zeit aufstehe in der Früh, denke, du musst jetzt in den Kraftraum und mir dann einfällt: Ich muss gar nicht in den Kraftraum. Das wird total interessant sein. Bis jetzt ist mir immer alles vorgegeben worden, was ich zu tun habe, wo ich wann zu sein habe, das fällt jetzt weg. Diese Drucksituationen werden mir schon auch fehlen, weil ohne den Druck wäre es auch nie so emotional geworden. Aber ich bin auch sehr froh, dass der Druck einfach mal weg ist – und ich ein ganz normales Leben leben darf. Ein sehr schönes.

Gibt es eine sportliche Niederlage, die besonders schmerzt? Sowas wie Olympia 2014 beispielsweise?

Neureuther: Olympia in Sotschi war ja in dem Sinne keine Niederlage, weil ich chancenlos war durch meinen Körper. Aber was mich schon sehr geprägt hat war die Heim-Weltmeisterschaft in Garmisch. Und auch Olympia in Turin 2006. Wenn ich im Nachhinein was anders machen könnte, dann wäre ich in Turin nicht an den Start gegangen. Ich hatte die Kriterien nur zur Hälfte erfüllt und wurde trotzdem mitgenommen. Das würde ich nicht mehr machen. Wie die Reaktionen auf diese Nominierung waren, das hat mich sehr getroffen. Aber es gehört zu meiner Karriere dazu, auch die Niederlagen. Das ist auch gut so, dadurch ist es so emotional gewesen.

Die Frau von Bastian Schweinsteiger, Ana Ivanovic, wünscht sich Sie als Skilehrer. Wie stehen ihre Chancen?

Neureuther: Die Chancen stehen sehr gut. Sie soll froh sein, dass es nicht der Basti macht. So wie der mittlerweile auf Ski steht, da kann sie nicht viel lernen.

ZUR PERSON: Felix Neureuther (34) hat am Sonntag nach 248 Rennen im Weltcup seine Karriere beendet. Mit 13 Siegen ist er deutscher Rekordhalter bei den Herren. Neureuther ist mit der ehemaligen Biathletin Miriam Neureuther verheiratet und hat eine Tochter.

Fotocredits: Helmut Fohringer
(dpa)

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