Schladming – Felix Neureuther wiegelte alle Nachfragen zu einem Rücktritt ab, zwar mit seinem typisch charmanten Grinsen, aber doch deutlich. «Ich werde bald eine Entscheidung bekannt geben», sagte der beste deutsche Skirennfahrer nach dem Nachtslalom von Schladming.
Sein achter Platz bei eisigen Bedingungen war da schon zur Nebensache geworden, selbst der Ausblick auf die anstehende WM in Schweden rückte in den Hintergrund. Die drängendste Frage war: Steht Neureuther vor dem Ende seiner Karriere? «Jetzt werde ich noch die Weltmeisterschaft fahren und dann wird es sich zeigen», meinte er.
Dabei sah an dem Abend in Österreich schon vieles nach Abschied aus: Neureuther ließ sich nach dem 2. Durchgang im Ziel von den 45.000 Fans feiern, verbeugte sich und klopfte auf sein Herz. Von Kollegen und Trainern bekam er unzählige Schulterklopfer, seinem langjährigen und guten Kumpel Julien Lizeroux lag er lange in den Armen.
«Das geht einem schon sehr nahe, sehr tief ins Herz», erzählte der 34-Jährige. «Die letzten eineinhalb Jahre waren nicht einfach. Das so erleben zu dürfen, macht einfach sprachlos.» In Österreich ist der Oberbayer ein Publikumsliebling, viele Fans fiebern mit dem Routinier mehr mit als mit Überflieger Marcel Hirscher, der am Dienstag gewann. «Ich hatte schon vor der Ziellinie Gänsehaut», sagte Neureuther.
Dass ihm auf den Skipisten im Weltcup noch lange zugejubelt werden kann, das wurde zuletzt immer unwahrscheinlicher. Die Gerüchte um ein Karriereende nach dieser Saison befeuerte die «Kronen-Zeitung» vor dem Slalom von Schladming mit der Meldung, dass sich Anzeichen für einen Rücktritt mehrten. «Das ist ein Käse, der da reininterpretiert wird», wiegelte der deutsche Alpin-Chef Wolfgang Maier zwar ab. Neureuther selbst vermied eine derart klare Aussage aber bewusst.
Dabei war er schon zwei Wochen zuvor beim Weltcup in Adelboden gefragt worden, was denn die WM im Februar in Are für ihn sei. Er antwortete damals kryptisch: «Vielleicht ein schöner Abschluss.»
Den Deutschen Skiverband würde ein Rücktritt schwer treffen, hinter dem Vorzeigeathleten klafft aktuell eine große Lücke. «Die erste Reihe ist im Moment bloß der Felix», sagte Maier. «Es ist deutlich zu sehen, dass unsere zweite Reihe den Anschluss verloren hat.» Für die Techniker-Rennen bei der WM sind das keine guten Voraussetzungen.
Der Saisonhöhepunkt steht jetzt voll im sportlichen Fokus von Neureuther. Nach einer langen Verletzungspause und mäßigem Erfolg bei seinen diesjährigen Comeback-Rennen sucht der Familienvater noch nach der Form und dem richtigen Material. Die Zeit läuft ihm etwas davon.
Trotz der Plätze 8, 8, 15, 17, 11 und 8 in diesem Slalom-Winter geben sich die Verantwortlichen im DSV optimistisch. «Ich bin ziemlich überzeugt vom Felix, dass der beim nächsten Rennen ziemlich geil auftreten wird», sagte Bundestrainer Mathias Berthold. Er meinte den WM-Slalom am 17. Februar. Ob Neureuther im Riesenslalom am Sonntag in seinem Heimatort Garmisch-Partenkirchen antritt, will er erst am Donnerstag entscheiden. Sehr wahrscheinlich ist es aber nicht.
Der Schladming-Rückstand von 3,23 Sekunden auf Sieger Hirscher sei «natürlich eine Katastrophe», fand Coach Berthold. «Aber es fehlt nicht viel und dann sieht das gleich wieder ganz anders aus.» Neureuther ist berühmt dafür, auch bei ganz schlechten Vorzeichen im entscheidenden Moment dann doch oft zu überzeugen, zuletzt gewann er drei WM-Slalom-Medaillen in Serie. In Schweden gehe es «wieder bei null los», sagte er, die brutale Fahrweise und Dominanz von Hirscher schocke ihn nicht. «Die Brutalität, die hole ich mir», hofft er.
Ob er sich die ein letztes Mal in seinem Sportlerleben holen muss, ist offen, Neureuther will seine Entscheidung noch nicht verraten. Aber allein schon dass er darum ein Geheimnis macht und nicht – wie bislang immer gedacht – weiterfährt, sagt schon sehr viel aus.
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(dpa)