Sölden – Mehr als ein halbes Jahr nach seinem Karriereende hat Felix Neureuther für den Weltcup-Auftakt der Alpinen am Wochenende in Sölden wieder richtig trainiert.
Wie das so ist auf dem Rettenbachgletscher, das weiß er natürlich noch ganz genau. Die Vorfreude bei der Fahrt durchs Ötztal, das Kribbeln im Bauch auf dem Weg die Serpentinen nach oben, dazu die Ungewissheit vor dem Start. All das kennt der 35-Jährige – und dennoch ist die Ausgabe 2019 für Neureuther ganz besonders. Zum ersten Mal ist er in Sölden nicht mehr der Skisportler, sondern der TV-Experte. Und das ist neu.
«Ich habe versucht, als Leistungssportler das Maximale rauszuholen, das versuche ich jetzt beim Fernsehen genauso», sagte Neureuther der Deutschen Presse-Agentur vor dem Debüt am ARD-Mikrofon. Also ist er in den vergangenen Tagen schon nach Sölden gefahren, hat sich nach etwa fünf Monaten Pause die Ski untergeschnallt und getestet, wie das so ist mit einer Kamera. Und er hat sich mit Moderatoren-Legende Gerd Rubenbauer ausgetauscht, der schon Neureuthers Vorgängerin Maria Höfl-Riesch in den vergangenen Jahren mit viel Rat zur Seite stand. «Er ist ja ein absoluter Experte was das Thema Linguistik, also Reden, betrifft. Da habe ich mich schon vorbereitet», berichtete er.
Denn die neue Aufgabe, bei der er Damen- und Herren-Rennen begleitet, ist dem Familienvater wichtig. Oft hat er in den vergangenen Jahren mehr oder weniger deutlich Kritik geäußert an ARD und ZDF. «Was ich nicht leiden konnte war, wenn ich gemerkt habe, dass jemand nicht mit Leidenschaft dabei ist. Das wird bei mir nicht passieren», sagte der mit 13 Siegen erfolgreichste deutsche Skirennfahrer der Weltcup-Geschichte. Dass eine Idee in einer Welt mit verschiedenen Rechteinhabern, internationalen Kooperationen und der Zusammenarbeit vieler TV-Stationen aber einen langen Weg gehen muss bis zur Umsetzung und mitunter auch daran scheitert, hat er schon gelernt.
Die ehemaligen Kollegen freuen sich auf den Seitenwechsel Neureuthers. «Ich hoffe, dass das deutsche Fernsehen ein bisschen lockerer wird und er vielleicht auch ein bisschen mehr Witz mit reinbringt und nicht alles stur nach Plan macht», sagte Kitzbühel-Sieger Thomas Dreßen. Dem ehemaligen Slalom- und Riesenslalomfahrer Neureuther traut er im Verlauf der Saison auch kompetente Analysen bei Abfahrtsrennen zu. «Der Felix hat so viele Erfolge gehabt, so viel Erfahrung. Wenn man wen ernst nehmen kann, dann ihn.»
Welche Frage kein Athlet von ihm befürchten muss, weiß der Sohn von Rosi Mittermaier und Christian Neureuther schon ganz sicher: «Wie haben deine Eltern reagiert?»
16 Jahre lang war Neureuther im Weltcup aktiv, stand in 248 Rennen 47 Mal auf dem Podest und holte nach WM-Silber 2013 in Schladming noch zwei Mal WM-Bronze in seiner besten Disziplin Slalom. Nach Jahren mit vielen körperlichen Problemen war der Fan-Liebling im Herbst 2017 in einer so guten Form wie wohl nie zuvor – riss sich dann aber im Training das Kreuzband. Im vergangenen WM-Winter wagte er ein Comeback, kam aber nicht mehr dauerhaft auf das gewohnte Niveau und beendete seine Karriere im März.
Fotocredits: Lino Mirgeler
(dpa)