St. Moritz – Eine wilde Party war das letzte, woran Mikaela Shiffrin nach ihrem historischen WM-Coup von St. Moritz dachte. Die Slalom-Königin war schlicht erschöpft und freute sich auf etwas Ruhe.
Auf der Piste war die Skirennfahrerin in atemberaubender Art und Weise zu Gold und in die Geschichtsbücher gerast und lässt kaum Zweifel daran, wer künftig die größte Attraktion im Alpin-Zirkus sein wird. Wohin all die Siege und Bestleistungen führen sollen, wurde sie am Samstag gefragt. «Es gibt kein Limit», antwortete die 21-Jährige mit aufgesetzt tiefer und bedrohlicher Stimme, ehe sie selbst lachen musste und ihre zwei Zöpfe unter der Skimütze wackelten.
Shiffrin tingelt seit ihrem ersten Weltcup-Sieg im Dezember 2012 im Alter von 17 Jahren als Wunderkind von Rennen zu Rennen – inzwischen wird sie immer mehr zur Rekordfrau. Der Erfolg von St. Moritz ist ihr dritter WM-Titel im Slalom in Serie, dieses Kunststück war davor nur der Deutschen Christl Cranz in den 30er Jahren und Schwedens Ingemar Stenmark von 1978 bis 1982 gelungen. Der gewaltige Vorsprung von 1,64 Sekunden auf die zweitplatzierte Schweizerin Wendy Holdener war der größte in einem WM-Slalom seit 1970 und der zweitgrößte überhaupt.
«Oh mein Gott», hatte Shiffrin noch im Ziel gestammelt, als sie auf der Anzeigetafel ihre schier unglaubliche Zeit sah. «Der heutige Tag ist so speziell. Endlich bin ich mal genauso Ski gefahren, wie ich es mir vorgestellt hatte», sagte sie und verwies auf ihre bisherige Saison, in der sie nicht völlig zufrieden gewesen sei. Was für eine Aussage, angesichts von fünf Siegen und einem dritten Rang in sieben Slaloms. Der Erfolg von St. Moritz war der 16. in zuletzt 20 Torläufen bei Weltcups und Weltmeisterschaften; seit Beginn der Saison 2012/13 gingen 24 von insgesamt 43 Slaloms im Weltcup an sie.
Satt ist die Sportlerin aus Vail noch lange nicht. «Ich will die beste Skifahrerin werden», betonte sie in der Schweiz, «nicht nur die schnellste, sondern die stärkste und auch die konstanteste. Bis jetzt ist meine Karriere gut verlaufen, und so soll es weitergehen.»
Auch die Ziele gehen Shiffrin nach drei WM-Titeln, Olympia-Gold 2014 und bislang 28 Weltcup-Erfolgen – 24 davon im Slalom – nicht aus. Durch die Verletzung ihrer Schweizer Rivalin und Verfolgerin Lara Gut dürfte Shiffrin in diesem Winter erstmals den Gesamtweltcup gewinnen.
Sie ist nach Tamara McKinney (1983) und Lindsey Vonn als viermalige Jahresbeste (2008, 2009, 2010, 2012) die dritte Amerikanerin, die sich die große Kristallkugel schnappen kann. Bleibt sie frei von Verletzungen, dürfte sie auch die Rekorde Vonns – etwa deren aktuell 77 Siege im Weltcup – angreifen. Das weiß auch Vonn, die vor Shiffrin die Ausnahmefahrerin im Team USA war. Mehr als ein dürres «Congrats @MikaelaShiffrin!» gab es von dem nach Siegen und Anerkennung gierenden Glamour-Girl via Twitter übrigens nicht für die Landsfrau.
«Viel Spaß an alle Mädels, die sich noch Jahre mit ihr messen müssen», sagte Ex-Weltmeisterin Maria Höfl-Riesch voller Anerkennung.
Und bald gibt es auch keine Disziplinen mehr, in denen die Konkurrenz vor Shiffrin sicher ist. Sie will sich nämlich nicht mit Slalom und Riesentorlauf zufriedengeben, sondern künftig vermehrt auch Abfahrten und Super-G ins Visier nehmen. «Da habe ich noch viele Ziele», kündigte sie an und meinte: «Es ist noch ein langer Weg, und es fühlt sich so an, als wäre ich gerade erst gestartet.»
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(dpa)